Sonntag, 12. Dezember 2010

Presse- und Meinungsfreiheit 2010

Hoffnung hält den Mensch am Leben – erst Recht in Situationen, die bedrohlich sind. In einer solchen Situation befinden sich zwei deutsche Journalisten seit dem 10. Oktober 2010 im Iran. Angela Merkel am 12.10. im Deutsche Welle TV: „Wir haben natürlich ein großes Interesse, dass die beiden Staatsbürger wieder frei werden und das Auswärtige Amt unternimmt auch alles was in unseren Möglichkeiten steht“.

Am 17. November schrieb die Bildzeitung: „Das Drama um zwei Deutsche im Iran spitzt sich zu! Walter Mayer, Chefredakteur BILD am SONNTAG: „Seit über einem Monat bangen wir um zwei Reporter, die im Iran inhaftiert sind. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um den Kollegen und ihren Angehörigen zu helfen. Zu ihrem Schutz werden wir uns zu weiteren Einzelheiten noch nicht äußern.“

Am 29. November ging der Exil-Iraner Dr. Kazem Moussavi mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin in die Offensive, indem er die Namen der inhaftierten Journalisten erstmals öffentlich machte. Er schrieb u.a.:

„Die verhafteten deutschen Journalisten Marcus Hellwig (Redakteur) und Jens Koch (Fotograf) müssen vom islamistischen Regime im Iran sofort und bedingungslos freigelassen werden! Seit mehr als 7 Wochen sind zwei deutsche Journalisten, deren Namen bisher nicht genannt wurden, in Geiselhaft der Teheraner Machthaber und darüber sind die Öffentlichkeit und deren Familienangehörige sowie die Kollegen in Deutschland sehr besorgt.

Für die Freilassung der Journalisten haben die bisherige geheime Diplomatie der Bundesregierung sowie die Iran-Reisen von Abgeordneten des Bundestages unter Leitung von Peter Gauweiler/Claudia Roth sowie anschließend von Frau MdB Hoff (FDP) wie auch kürzlich des Gesandten von Herrn Außenminister Guido Westerwelle absolut nichts gebracht.

Der wichtigste Grund dafür ist: Laut zuverlässigen Informationen wird der Fall der beiden deutschen Journalisten direkt durch das Büro des Revolutionsführers Ali Khamenei koordiniert und in dessen Auftrag vom Hohen Nationalen Sicherheitsrat der Islamischen Republik unter der Leitung von Saeed Jalili, dem derzeitigen Atom-Chefunterhändler des Regimes im engen Kontakt mit Ali Reza Sheikh Attar, dem Botschafter des iranischen Regimes in Deutschland umgesetzt.

Der Plan, den Khamenei und die Regierung Ahmadinejads mit der Geiselhaft der deutschen Journalisten verfolgen, ist, auf Zeit zu setzen und die Gefangenen als Druckmittel zu nutzen, um weitere Sanktionen Deutschlands und Europas zu verhindern und dadurch atomare Ziele voranzutreiben und zu realisieren. Die Atombombe ist für das Überleben des Mullah-Regimes im Iran notwendig. Sie ist gleichzeitig ein Gewaltinstrument, das die Umsetzung der Expansionspolitik und der Vernichtungsabsichten des Systems gegen Israel sichert und beschleunigt. Die Intensivierung von Wirtschaftsbeziehungen und Dialogpolitik bereitet dem Regime die Möglichkeit, seine ideologischen Ziele eher zu bewerkstelligen.“

Der Erfolg war verhalten. Eine Antwort gibt es nicht. Die deutsche Politik arbeitet offenbar nach dem Prinzip Hoffnung. Sicher muss sie den Preis für die Freilassung der beiden deutschen Journalisten so gering wie möglich halten. Nach dem Prinzip Hoffnung kann man da nur sagen: Hoffentlich ist der Preis nicht unbezahlbar. Erschreckend ist vor allem die Tatsache, dass alle Diplomatie und Verhandlungen bislang nur zu einer größeren Erpressbarkeit und dem Verlust der Glaubwürdigkeit führen. Den Menschen – weder unseren deutschen Journalisten noch den Iranern, die unter dem Terrorregime der islamischen Regierung leiden, ist damit geholfen.

Am 08. Dezember 2010 um 15.40 Uhr meldet die Berliner BZ: „Kommen die beiden deutschen Journalisten im Iran möglicherweise vor Weihnachten frei? Der Sprecher des Außenministeriums in Teheran stellte eine baldige Rückkehr nach Deutschland in Aussicht.“ Eine kurze Meldung. Denn: Weihnachten erhöht den Druck und den Preis, den wir für die Freilassung zu zahlen haben. Das wissen auch die Journalisten, die diese Meldung klein halten. So bleibt sie sinnentleert und wunschlos.

Wieso erscheint sie überhaupt? Wer bei den Reportern ohne Grenzen nach den beiden deutschen Journalisten fahndet wird nicht fündig – obwohl man am 16.11. nach dem Spionagevorwurf eine Presseerklärung herausgab, in der dieser Vorwurf auf das Schärfste verurteilt wurde – vielleicht zeigte das Erfolg, denn der Spionagevorwurf wurde inzwischen fallen gelassen. Allerdings: unter den aufgeführten weltweit 149 inhaftierten Journalisten (Stand 12.12.2010) tauchen die beiden Deutschen nicht auf. Im Iran sind 26 Journalisten inhaftiert – die größte Anzahl in einem Land überhaupt. In einer Presseerklärung vom 9. Dezember kritisiert Reporter ohne Grenzen „erneute Repressionen gegen Journalisten und Internetnutzer im Iran: Während der Atomverhandlungen der Regierung mit westlichen Ländern sind vier Journalisten der reformorientierten Zeitung Schargh verhaftet worden. Bei den am 7. Dezember festgenommenen Medienmitarbeitern handelt es sich um den Direktor des Blattes Ali Chodabaksch, den Chefredakteur Ahmed Gholami, die Leiterin des Ressorts „Internationales“, Farsaneh Rustaei, sowie den Leiter des Politik-Ressorts Keywan Mehregan.“ Die Namen der deutschen Journalisten? Fehlanzeige. Zeitgleich zeichnete Reporter ohne Grenzen den iranischen Journalisten Abdolresa Tadschik, der seit dem 10. Juni 2010 erneut im Gefängnis sitzt, am 9. Dezember in Paris als „Journalist des Jahres“ aus.

Iran – das Land, das den Frieden sucht? Deutschland – das Land, das gerade entsprechend vorgeführt wird? Warum können wir nicht mit gutem Beispiel und einer unaufgeregten regelmäßige Berichterstattung vorangehen? Es ist wichtig, Menschen beim Namen zu nennen, an sie zu erinnern und sich auf diese Art und Weise persönlich für sie einzusetzen. Reporter ohne Grenzen tut das auf internationaler Ebene – im Fall der beiden deutschen Journalisten aber nicht. Das ist unverständlich und aus meiner Sicht unverantwortlich, denn Totschweigen hat noch nie geholfen. Es kann höchstens den Preis erhöhen, den wir zu zahlen haben. Aber vielleicht tun wir das ja freiwillig und gerne. Schließlich ist Verhandeln politisch korrekt. Nur sind unsere Möglichkeiten offensichtlich sehr begrenzt.

Der Kampf um die Presse- und Meinungsfreiheit war dieses Jahr das eigentliche Thema bei der Vergabe des Friedensnobelpreises. Auch deshalb weigerten sich 15 Länder, an der Preisverleihung teilzunehmen, darunter neben China Russland, Afghanistan, und Irak auch der Iran. Der Stuhl des Preisträgers blieb leer – zum ersten Mal seit der Verleihung des Preises an Carl von Ossietzky 1936. Die zentrale Botschaft des Preisträgers, des chinesischen Schriftstellers Liu Xiaobo wurde trotzdem verbreitet: „Meinungsfreiheit ist die Grundlage der Menschenrechte, die Quelle der Humanität und die Mutter der Wahrheit. Freiheit zu strangulieren bedeutet, die Menschenrechte mit Füßen zu treten, Menschlichkeit zu ersticken und die Wahrheit zu unterdrücken.“

In diesem Sinne ist es unsere Pflicht, auch unseren beiden deutschen Journalisten öffentliche Solidarität und Beistand zu erweisen. Es scheint allerdings, dass der Preis für die Freilassung umso höher wird je mehr wir heimlich verhandeln – eine absurde Situation. Menschen als Geiselpfand zu benutzen ist jenseits jeglicher legitimer Diplomatie. Gerade deshalb dürfen wir nicht Schweigen!

Sonntag, 7. November 2010

Deutsche Angstforschung

Es war 2008. Mit einer Konferenz unter dem Titel „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“ beschritt das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin unter seinem inzwischen emeritierten Professor Dr. Wolfgang Benz neue Wege der Feindbildforschung und verbreitete dabei eine unglaubliche Entdeckung: Die Deutschen mögen nicht nur keine Juden, sie mögen auch keine Muslime.

Wissenschaft lebt von Vergleichen, und Vergleiche sind so erlaubt wie sie hinken. Nur das Herausarbeiten von Parallelen lässt Muster erkennen, Strukturen, die kategorisierbar und damit greifbar werden. Das gilt für die Totalitarismusforschung wie für die Feindbildforschung. Das Zentrum für Antisemitismusforschung hat aber, wie der Name sagt, eine Aufgabe: Die Erforschung des Antisemitismus. Das scheint seinem Leiter gegen Ende der Amtszeit langweilig geworden zu sein, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass vielleicht auch die Prägung durch seinen Doktorvater Karl Bosl, der bereits im Mai 1933 Mitglied der NSDAP und des NS-Lehrerbundes wurde ,eine Rolle spielte bei dem Wunsch, die Eigenheiten insbesondere des deutschen Antisemitismus durch eine Neuerfindung zu relativieren.
So wurde nachdem der Antisemitismus durchaus richtig als Feindbild entdeckt war die Theorie der Islamophobie entwickelt und der Politik nahe gebracht. Vielleicht auch eine Maßnahme, um der zwischenzeitlich in Erwägung gezogenen Schließung des Zentrums effektiv entgegen zu wirken. Nur wenige wagten es gegen die merkwürdige Wandlung, die da vor sich ging und diese neue Ausrichtung zu protestieren. Allerdings war die Kritik gut begründet.

Denn: Ist der Antisemitismus tatsächlich so tot, dass er keiner Forschung mehr bedarf? Sollten wir ihn in der Versenkung verschwinden lassen, wo er eigentlich hingehört? Die politischen Entwicklungen zeugen vom Gegenteil. Der Antisemitismus ist in Deutschland nicht nur nach wie vor existent, sondern er ist noch um eine praktische Variante erweitert worden, da er sich nun auch gegen den Staat Israel richtet. Dessen Existenzrecht besonders von seinen arabischen Nachbarn und islamischen Terrororganisationen unter Federführung der Islamischen Republik Iran regelmäßig bestritten wird. Dass es daher eine besondere Ausprägung eines muslimischen Antisemitismus gibt hatten engagierte Kreuzberger (im Übrigen solche mit „Migrationshintergrund“) bereits 2004 bemerkt und daraufhin die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA e.V. gegründet, die anfangs hoch gelobt, danach allerdings fast wieder eingestampft wurde – weil nicht sein kann was nicht sein darf. Eine Minderheit, die eine andere Minderheit diskriminiert? Die Initiative hat sich nicht beirren lassen und arbeitet weiter – jetzt eher im Stillen, aber glücklicherweise doch außerordentlich erfolgreich.

Nun ist sich der Deutsche seiner Schuld bewusst und er bemüht sich, wieder gut zu machen was wieder gut zu machen ist. Das ist nicht viel, aber immerhin ist das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels inzwischen mehrheitsfähiger Konsens in Deutschland. Die Juden sind als religiöse Minderheit anerkannt und ihre Einrichtungen werden von der deutschen Polizei geschützt. Das ist aufgrund der noch vorhandenen Bedrohungslage, die sich in antisemitischen Schriftstücken verschiedenster Färbungen immer wieder neu manifestiert, notwendig. Moscheen oder muslimische Einrichtungen entsprechend regelmäßig zu schützen ist absehbar eher nicht notwendig. Die Proteste gegen den Moscheebau in Berlin-Heinersdorf wurden beispielsweise durch die Bürgerinitiative „Heinersdorf öffne dich“ in Privatinitiative wieder gut gemacht, deren Initiatorin Sandra Caspers erhielt hierfür 2009 öffentliche Anerkennung durch die Auszeichnung mit dem Band für Mut und Verständigung des „Bündnis der Vernunft gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit“. Das ist eine Initiative verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen, in der auf Initiative der Gewerkschaft DGB unter anderem die Jüdische Gemeinde und die Kirchen vertreten sind.

Was also treibt Professor Benz dazu, der notorisch antisemitischen Internetzeitung Muslimmarkt, die in so interessanten Beiträgen wie „Die jüdische Frage aus Sicht eines Muslims“ beispielsweise die These aufstellt, dass Judentum nicht mit anderen Religionen vergleichbar ist, ein Interview zu geben?

Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, was auch das Recht der Wahl des Mediums einschließt, in dem man seine Meinung publiziert. Wenn man ernst genommen werden möchte sollte man es allerdings tunlichst unterlassen, sich mit einem Medium einzulassen, dessen Ausrichtung als extremistisch bekannt ist. Die Internetseite Muslimmarkt ist ein solches Medium. In dem Teil, den es als „Palästina spezial“ ausgibt, wird Israel als Pseudostaat bezeichnet, der die systematische Vernichtung Palästinas betreibt. Diese Seite schürt genau den Hass, gegen den versöhnungsbereite Initiativen wie die KIgA anzugehen versuchen. Wenn man als Wissenschaftler nicht auf das Medium achtet, in dem man publiziert, hat man zumindest eine Verantwortung für das, was man sagt. Ob Herr Benz die Dinge in diesem Interview tatsächlich so gesagt hat kann nur er beurteilen, zumindest stehen sie im Internet. Beispielsweise so:

MM: Einstmals wurde über den angeblich schlimmen Inhalt des Talmud diskutiert. Heute maßen sich Nichtmuslime an, den Heiligen Qur'an für Muslime ähnlich schlimm interpretieren zu wollen. Was hätten damals Juden machen können, um die Friedfertigkeit ihrer Religion zu erläutern, und was können heute Muslime im Land tun?
Prof. Benz: Das ist die schwierigste Frage überhaupt. Wenn die Minderheit - damals die Juden, heute die Muslime - allein gelassen wird, dann hat sie keine Chance. Die Minderheit braucht Verbündete in der Mehrheit, die davon überzeugt sind, dass diese Vorwürfe nicht richtig sind, und die auch ihre Überzeugung energisch vertreten.


Also: die Wissenschaft auf der Suche nach einer Minderheit, die sie in Schutz nehmen kann? Interessant, dass Herr Benz Juden heutzutage offenbar nicht mehr als Minderheit betrachtet. Oder vielleicht meint er auch nur, dass sie sich in Deutschland inzwischen an den Polizeischutz gewöhnt haben und das Problem deshalb irrelevant geworden ist. Die Juden hätten es „damals“ sicher geschätzt, wenn sie alleine gelassen worden wären. Wurden sie aber nicht, stattdessen wurden sie mit Ausgrenzungen konfrontiert, die viele dazu brachte, ihre Identität aufzugeben und sich taufen zu lassen. Was ihnen nichts nutzte. Wo bitte ist die ansatzweise Näherung eines validen Vergleichs in dieser von Professor Benz getätigten Aussage? Die Verhältnisse, sie sind ja wohl heutzutage anders und kein Muslim käme auf die Idee sich taufen zu lassen, um etwa in den Staatsdienst übernommen zu werden. Minderheit braucht keine Mehrheit, die ihre Überzeugung vertritt, sondern Freiheit von Diskriminierung.

MM: Auf der anderen Seite ist nicht zu bezweifeln, dass es unter manchen Muslimen Antisemitismus gibt. Andere hingegen haben keinerlei rassistische Erwägungen sondern stellen sich politisch gegen den Zionismus, wobei die Grenzen fließend ineinander übergehen. Wie kann man Antisemitismus und Antizionismus wissenschaftlich-historisch voneinander unterscheiden?
Prof. Benz: Das ist ziemlich schwierig, aber durchaus machbar. Das betreibe ich in Büchern, Artikeln, Aufsätzen seit langer Zeit. Antisemitismus ist grundsätzlich etwas anderes als Antizionismus. Aber Antizionismus kann benutzt werden, um Antisemitismus zu artikulieren, und das geschieht immer häufiger und immer öfter. Der Denkfehler ist nur der, dass unterstellt wird, nur Muslime seien Antizionisten. Antizionismus gibt es als Israelfeindlichkeit unter Nichtmuslimen natürlich ebenso, wie unter Muslimen. Man muss eine Feindschaft gegen den Staat Israel, gegen die Existenz des Staates Israel, und eine Feindschaft gegen Juden unterscheiden – und muss dabei aber wissen, dass Antisemitismus und Antizionismus durchaus in ein und derselben Form auftreten können.

Wie unterscheidet sich der politische Zionismus vom rassistischen? Ist Antizionismus ohne Rassismus in Ordnung? Und seit wann ist es schwierig, Antisemitismus von Antizionismus zu unterscheiden? Warum ist es notwendig, das Existenzrecht Israels immer wieder zu betonen? Darüber hinaus frage ich mich, wer den Denkfehler begeht zu unterstellen, dass nur Muslime Antizionisten sind. Über Unterstellungen zu schwadronieren und daraus einen Denkfehler zu konstruieren zeugt nicht von einer wissenschaftlichen Denkweise sondern eher von dem Versuch, sich anzubiedern – bei wem und warum auch immer.

Diese merkwürdig anmutenden Auffassungen von der muslimischen Schutzbedürftigkeit und dem geheimnisvoll verwobenen Antisemitismus und Antizionismus wären schon merkwürdig genug. Darüber hinaus generiert sich Professor Benz in diesem Interview aber einmal mehr als das Opfer von Hass und Intrigen. Professor Dr. Wolfgang Benz: „Rufmordkampagnen sind gegen mich losgetreten worden, was mir umso mehr beweist, wie hysterisch die Lage ist“. Der Antisemitismusforscher als Opfer der Islamophie? Es ist Zeit, dass die Antisemitismusforschung in Deutschland sich wieder auf ihre Aufgaben besinnt. Eine derartige Vermischung wie sie hier generiert wird ist schädlich für alle Beteiligten und ganz besonders stärkt sie die extremistischen Elemente, die es als legitim betrachten, Israel das Existenzrecht abzusprechen – politisch, wohlgemerkt, nicht rassistisch.

Montag, 4. Oktober 2010

20 Jahre Deutsche Einheit

Wer hätte das noch vor einem Vierteljahrhundert geglaubt? Seit 20 Jahren ist Deutschland wieder vereint, aus den selbstbewussten Protestrufen von „Wir sind das Volk“ ist die Devise „Wir sind ein Volk“ geworden, der amtierende Bundespräsident Christian Wulff beschwört in seiner Rede anlässlich des 20. Jahrestages "Deutschland, einig Vaterland" und bemüht sich dann der Frage nachzugehen, was denn nun die Deutschen eint. Ein Volk – der Begriff mutet für eine Gesellschaft, deren Identität föderalistisch generiert ist, die traditionell fremden Kulturen gegenüber aufgeschlossen war, und die stolz auf ihre wieder neu erworbene interkulturelle Kompetenz ist, merkwürdig an. Es bedurfte wohl der ostdeutschen Abgeschiedenheit von einem großen Teil des Rests der Welt, um ihn wieder aus dem Vergessen zu holen, in die ihn die (west)deutsche Volksgemeinschaft im Zuge der Aufarbeitung nationalsozialistischer Vergangenheit schamvoll versenkt hatte. Allerdings – im Osten wie im Westen - muss man wohl im Hinblick auf die seit 1945 gepflegten internationalen Kontakte feststellen, dass sie zuweilen vorsichtige Annäherung waren, wieder Fuß zu fassen im internationalen Weltgefüge. Zwar dienten sie einerseits dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt, andererseits aber eben später, als sich der wirtschaftliche Aufschwung eingestellt hatte, auch der Anwerbung von „Gastarbeitern“ mit dem Ziel, Profit aus deren Arbeit zu gewinnen. Dass Ausbeutung in einer globalisierten Welt und unter dem Gesichtspunkt menschenrechtlicher Konventionen und komplexer völkerstaatsrechtlicher Regelungen zu Recht nicht mehr so einfach funktioniert wie noch zu Zeiten asymmetrischer Kräfteverhältnisse scheint dabei nicht im Bewusstsein der seinerzeit verantwortlichen Politiker verankert gewesen zu sein. Vielleicht ist auch das daraus unbewusst resultierende Schuldgefühl mit ein Grund, weshalb die Diskussionen so emotional und merkwürdig einseitig geführt werden. Denn auch heute orientiert sich die öffentliche Debatte noch nicht an den wesentlichen Punkten, die einer vernünftigen Politik entsprechen würden – nämlich der Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen um unsere nationalen deutschen und europäischen Interessen zu vertreten, sondern an emotionalen Befindlichkeiten und Spiegelfechtereien, die zu heftigsten Missverständnissen führen können und mit den absurdesten Forderungen und Ideen verbunden sind. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen Podiumsdiskussionen und Debatten, sondern gelegentlich auch die staatstragenden Reden führender Politiker, die eigentlich richtungsweisender Natur sein sollten. Es freut zu hören, wenn sich unser Bundespräsident darüber freut, dass deutsche Muslime ihm schreiben, dass er ihr Präsident ist. Verwundern tut allerdings, dass ihm diese Briefe so wichtig sind, dass er sie in seiner öffentlichen Rede aus Anlass des 20. Jahrestages der Wiedervereinigung in den Mittelpunkt stellen muss. Vielleicht möchte er verhindern, dass es Muslimen so geht wie den deutschen Juden, denen man gerne mal erklärt, ihr „Präsident“ wäre der jeweilige Präsident Israels? Bei Muslimen wäre das nicht so einfach, denn es gibt neben den in Deutschland immer wieder an erster Stelle genannten Türken auch noch Araber aus verschiedenen Staaten, und es gibt nicht nur eine muslimische Glaubensrichtung sondern mehrere. Phänomenal peinlich allerdings wird es, wenn unser Bundespräsident zur Erklärung der deutschen Weltoffenheit einen Rückgriff auf Goethe wagt. Wer Goethe und Islam im Internet recherchiert wird auf eine verblüffende Anzahl von Webseiten stoßen, die sich der merkwürdigsten Theorien bemühen, um aus Goethe einen Muslim zu machen. Komischerweise findet sich kaum ein Hinweis darauf, dass Goethe sich durchaus auch mit anderen Religionen, etwa dem Buddhismus beschäftigt hat. Und dass Goethe ein weltaufgeschlossener Mensch war, der sich mit vielen Glaubensrichtungen befasste und der jeglichem Dogmatismus mit Abscheu begegnete. Der Redenschreiber des Präsidenten reduziert Goethe also auf den Satz "Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ Daraus konstruiert er dann: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland. Vor fast 200 Jahren hat es Johann Wolfgang von Goethe in seinem "West-östlichen Divan" zum Ausdruck gebracht“. Das zeugt wahrlich von einer merkwürdigen Art der punktuellen und opportunistischen Geschichtswahrnehmung, die unseren gegenwärtigen Problemen und Bestrebungen, eine weltoffene bunte Republik zu werden sehr entgegen laufen. Allerdings mag es sein, dass der Islam vielleicht ganz anders in das deutsche Selbstverständnis passt, als Politiker es mit ihren gut gemeinten Sonntagreden glauben machen möchten. Der Berliner Verfassungsschutz rückt den islamistischen Terrorismus als Bedrohung inzwischen an erste Stelle noch vor dem rechten und linken Extremismus. Wir Deutsche haben noch immer ganz gewaltige Probleme mit der Toleranz, davon zeugen nicht nur die jüngsten Morddrohungen gegenüber dem Bahn-Chef Rüdiger Grube, der beabsichtigt, den Stuttgarter Hauptbahnhof zu modernisieren. Wie sagte Herr Wulff? „Wir können stolz sein auf unsere kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Leistungen. Vor allem auf das soziale Klima in unserem Land, auf Toleranz, Kompromissfähigkeit und Solidarität.“ Schön wäre es! Nein, wir Deutschen sind keine besseren Menschen geworden, aber wir sollten uns wenigstens darum bemühen Wege zu finden, den Fundamentalisten und Extremisten egal welcher Farbe keine Chance zu lassen. Das wäre wohl eher im Goetheschen Sinne als sich zu der irreführende Behauptung hinreißen zu lassen, der Islam gehöre seit 200 Jahren zu Deutschland, und das ist tatsächlich eine historische Tradition, die uns gut zu Gesicht stünde. Mit Integration hat Religion übrigens eigentlich gar nichts zu tun. Die ist in Artikel 4 unseres Grundgesetzes eindeutig geregelt: „ (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“

Freitag, 30. Juli 2010

Dialog mit dem Iran

Sehr geehrter Herr Dr. Stinner,

mit großem Bedauern habe ich von Ihrem Plan Kenntnis genommen, in den Iran zu reisen. Aus meiner Sicht ist genau dies der falsche Augenblick, denn gerade hat Europa beschlossen, den Druck auf das iranische Regime zu erhöhen.

Sie beabsichtigen, mit einem totalitären Unrechtsregime einen Dialog zu führen, das sich wiederholt als dialogresistent erwiesen hat. Damit legitimieren Sie dieses System und senden ein fatales Signal an die Opposition.

Ich bedauere auch, dass sich die deutsche Außenpolitik damit aus dem westlichen Wertesystem entfernt und aus einer Wertegemeinschaft ausschert, in der ich Deutschland auch in Zukunft gerne verankert sehen möchte.

Meiner Meinung nach ist Ihre Reise auch im Interesse der deutschen Wirtschaft, die sich findig Möglichkeiten schafft, die Sanktionspolitik zu umgehen, nicht nachhaltig. Denn wer Geschäfte mit überzeugten Feinden Israels tätigt handelt am Ende auch gegen seine eigenen Interessen.

Im Interesse Deutschlands sollten Sie als in der Verantwortung stehender Politiker alles daran setzen, das Blutvergießen eines totalitären Regimes zu verhindern. Die historische Erfahrung hat gezeigt, dass dies durch eine Politik der Beschwichtigung gegenüber Machthabern, die keinerlei Rücksicht auf die Würde der Menschen nehmen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, auf Dauer nicht funktioniert.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Nikoline Hansen

Sonntag, 25. Juli 2010

Israel, Gaza und Deutschland

Der 31. Mai 2010 ist ein Tag in der israelischen Geschichte, der nicht gerade als ein Erfolg verbucht werden kann. Israelische Soldaten töteten bei dem – aus militärischer Sicht letztlich allerdings doch erfolgreichen - Versuch, die Seeblockade gegen Gaza aufrecht zu erhalten neun Provokateure, die sich als Friedensaktivisten getarnt hatten, die es aber ganz offensichtlich darauf abgesehen hatten, dem Ansehen Israels und seiner Armee Schaden zuzufügen. Dies ist gelungen, nicht nur, weil der Vorfall auch im Land selbst für kontroverse Debatten sorgte – Israel ist ein demokratisches Land, das solche Debatten zulässt, sondern auch, weil die Weltöffentlichkeit sich sofort und ohne Zögern auf die Seite der Initiatoren der „humanitären Schiffsflotte“ und der „armen unterdrückten Palästinenser“, denen hier vermeintlich geholfen werden sollte, schlug, ohne sich um die historischen Entwicklungen, die zu dieser neuerlichen Eskalation des Nahostkonflikts führten, Gedanken zu machen und ohne die Hintergründe zu bedenken. Immer wieder wird in der Öffentlichkeit ein Bild von Gaza gezeichnet, das suggeriert, die Bevölkerung leide Hunger und Durst und werde nicht medizinisch versorgt. Auch der Deutsche Bundestag schloss sich ungefragt der Verurteilung durch die Europäische Union an, die in einer zeitnahen Reaktion die sofortige Aufhebung der Blockade forderte – ohne allerdings konkrete Hilfsmaßnahmen anzubieten, die einen solchen Schritt ohne die Gefährdung der Sicherheit Israels möglich gemacht hätten. Der Schachzug des israelischen Außenministers Avigdor Liebermann, über dessen Ansichten man sicher geteilter Meinung sein kann, war genial: Er bot an, die Blockade komplett aufzuheben und Gaza den Europäern zu überlassen, wenn diese gewillt seien, die militärische Kontrolle zu übernehmen – mit ernsthaft dafür ausgerüsteten Streitkräften, die in der Lage wären, den Bedrohungen der Hamas angemessen Kontra zu bieten. Ein Angebot, das der deutsche Außenminister prompt als unakzeptabel weil einer Zweistaatenlösung abträglich bezeichnete. Zumindest verbot das Innenministerium die türkische Organisation IHH, die die Schiffe finanziert hatte und die in Deutschland Spenden für terroristische Zwecke sammelt. Das mag zwar in der Praxis nur begrenzte Auswirkungen auf den Geldfluss an die Hamas haben, es setzt aber zumindest ein eindeutiges politisches Zeichen. Die Lage in Israel ist schwierig und angespannt, und über die mangelnde Fantasie und die Blauäugigkeit mancher europäischer Aktivisten kann man sich nur wundern. Laut Zeitungsberichten erklärte Claudia Roth, "Wir sind absolut unzufrieden damit, dass sich die neue Bundesregierung jeder Nahostpolitik verweigert". Wie sie zu diesem Schluss kommt ist angesichts der allerdings undurchsichtigen aber vielfältigen Aktivitäten der deutschen Regierung unerklärlich. Auch ist zweifelhaft, ob die geforderte „neue Dynamik“ für die Menschen vor Ort wirklich hilfreich ist oder nicht zu weiterem unnötigem Blutvergießen führen wird. Die Forderung nach einem „Marshall-Plan für Gaza“ und einem Entschädigungsfonds für Flüchtlinge, den Deutschland mit finanzieren soll, ist allerdings unsinnig: im Laufe der Jahre sind Milliardenbeträge in undurchsichtigen Kanälen versickert und es gibt keine Grund dafür anzunehmen, dass eine Neuauflage des großzügigen finanziellen Engagements zu einer Besserung der humanitären Lage der Betroffenen beitragen wird. Derzeit scheint es so, als hätte Liebermann recht mit seiner These „Willst du Frieden, rüste zum Krieg“. Die Erfahrungen aus dem „Kalten Krieg“ zeigen zumindest, dass das eine durchaus erfolgreiche Option sein kann. Jedenfalls hat in diesem Kampf am Ende die Kraft der Freiheit den Sieg davon getragen. Friedlich, ohne Blutvergießen. Deutschland ist zu Recht darauf stolz, seinen Beitrag hierzu geleistet zu haben und gerade aus diesem Grunde sollte es sich tunlichst verkneifen, Israel die Legitimierung für sein konsequentes Handeln abzusprechen und seine militärische Stärke zu untergraben.
© Die Mahnung 8/9 2010

Samstag, 10. Juli 2010

wie bastele ich mir eine welt

Israel hat gute Freunde, die darauf bestehen, dass Israel ein Existenzrecht hat.
Immer wieder, so dass man sich manchmal darüber wundern muss.
Tatsächlich hat der 31. Mai 2010 auch mal wieder eindeutig gezeigt: Israel ist ein Problem. Es ist wieder ein Problem, weil es immer noch darauf besteht, sich selbst zu verteidigen. Was eigentlich, wenn man jemandem ein Existenzrecht gewährt, selbstverständlich akzeptiert werden sollte.
Nicht so unter guten Freunden: Auch unter guten Freunden ist Selbstverteidigung, wenn sie in Gewalt ausartet, gar nicht selbstverständlich sondern ein Problem, weshalb man lieber den Zeigefinger erhebt. Beziehungsweise in großzügiger Manier einmal zuschlägt. Einmal, um zu zeigen, wer Herr im Hause ist, zum anderen natürlich aber auch, weil man seinen Freund ja bessern will.
Ein wenig ist das so wie in einer Ehe: wenn die Frau sich wehrt wird sie gezüchtigt. Das war auch in Europa noch bis vor kurzem das gute Recht des Mannes, der seine Frau, die Schwächere, schließlich schützen möchte - vor dem Bösen in der Welt und davor, dass sie ein schlechter Mensch wird. Ob er sie am Ende tatsächlich verteidigt, wenn der Gegner mächtiger ist als er, er sie nicht mehr ausstehen kann oder sich vielleicht herausstellt, dass der Gegner sein bester Freund ist, muss dahingestellt bleiben.


Wenn jetzt jemand meint, Israel sei nicht schwächer als Europa oder Deutschland, sollte er einfach mal die Landkarte und ein paar geographische Fakten zur Hand nehmen.


Sehr nett ist auch diese kleine Gründungsgeschichte:
Eine kleine Gründungsgeschichte des Staates Israel

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